Men of the year
von Markus Schaaf
Mann des Jahres, Sportlerin des Jahres, Schauspieler des Jahres, Sängerin des Jahres, Komiker des Jahres - es ist schon fast inflationär, wie viele «Titel des Jahres» jeweils zum Jahresende verteilt werden. Im Jahre 2001 wurde der damals meistgesuchte Terrorist von einer Zeitschrift zum «Mann des Jahres» erkoren. Ich fand dies damals total daneben und bin auch heute noch der Meinung, dass Titel nur an Personen verliehen werden sollten, die Gutes zum Wohle anderer geleistet haben.
So im Stillen mache ich gegen Ende des Jahres immer gerne für mich meine ganz eigene Liste von Menschen, die ich für diesen Titel nominieren würde. Darum hier meine Vorschläge für die Menschen des Jahres 2021:
- Das Team von Pallistella! Mit viel Herzblut und Engagement haben sie einen langehegten Wunsch von mir verwirklicht und im Tösstal eine Palliativ Station geschaffen. Hier werden Menschen in ihren letzten Lebenstagen begleitet und unterstützt.
- Die Leiterin vom Kantonalen Sozialamt! Als ich mit einer konkreten Anfrage an sie gelangte, half sie, damit rasch und unkompliziert für die Betroffenen eine Lösung gefunden wurde.
- Der Kommandant der Kantonspolizei! Obwohl er sein Pensionsalter bereits erreicht hat, ist er auf Bitte des Regierungsrates bereit, seine Dienstzeit um zwei Jahre zu verlängern, um die Polizei mit ruhiger Hand durch diese stürmischen Zeiten zu führen.
- Die Kantonsärztin! Sie musste in die Bresche zu springen, als ihr Vorgänger kurzfristig ausfiel. Mit unglaublichem Engagement hat sie in den vergangenen Monaten hinter den Kulissen die gesundheitspolitischen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Pandemie vorbereitet und dem Regierungsrat vorgelegt.
- Der Feuerwehrkommandant und sein Kader! Weil sie Stunden und Tage ihrer Freizeit opfern, Tag und Nacht einsatzbereit sind und innert Minuten vor Ort sind, wenn sie gerufen werden – ohne vorher über Sinn und Unsinn eines Einsatzes zu diskutieren.
- Die Pflegefachfrau! Sie war bereit, ihre Ferien zu verschieben und ihr Pensum zu erhöhen, damit ihre Kolleginnen auf der Abteilung entlastet werden konnten.
- Die Männer vom Tiefbauamt! Bei Schnee stehen sie in aller Frühe auf, damit wir geräumte und sichere Strassen haben. Durch ihren Einsatz haben sie viele Unfälle verhindert.
- Die Zugbegleiterin! Sie wartet immer mit unendlicher Geduld, bis die Passagiere ihr Ticket auf dem Handy gefunden haben und vor dem Weiterlaufen wünscht sie den Fahrgästen stets freundlich einen «Guten Tag».
Zwei Dinge sind mir klar geworden: Die Liste mit meinen Nominierten ist noch längst nicht vollständig. Es sind viel mehr Menschen, die in diesem Jahr Aussergewöhnliches geleistet haben und mir so – trotz aller Umstände - ein bequemes, sicheres und zufriedenes Leben ermöglichten. Es ist mir aber ebenso klar, dass die Nominierungsliste von jeder Leserin und jedem Leser ganz anders aussieht und das ist auch gut so. Mit Menschen, die uns Gutes getan haben, sollten wir das Jahr 2021 in Erinnerung behalten.
Die zweite Erkenntnis ist ein wenig unbequemer. Grundsätzlich ist es ja komfortabel, wenn ich von meinem Bürostuhl aus beurteilen kann, wer für mich «Mensch des Jahres» war. Viele Menschen haben in diesem Jahr grossartige Leistung vollbracht. Einen grossen Haken aber hat die ganze Sache. Beim Nachdenken, Beurteilen und Titel verleihen bleibt eine Sache vergessen! Was habe ich denn im vergangenen Jahr geleistet? Wer hat von mir eine ausserordentliche Leistung erhalten? Beim Nachdenken kam mir eine Geschichte aus der Bibel in den Sinn. In einer Diskussion über Nächstenliebe wurde Jesus einmal gefragt, wer den der Nächste sei. Als Antwort erzählte er das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter und stellte am Schluss die entscheidende Frage: „Wem bist DU der Nächste?“ Wie würde sich wohl das Tösstal und unser ganzes Land verändern, wenn wir unsere Kraft und Zeit investieren, um für zwei oder drei Mitbürger eine aussergewöhnliche Leistung zu erbringen. Ich bin mir ziemlich sicher, John F. Kennedy würde es heute wohl so sagen: «Frage nicht, wer ist für mich Mensch des Jahres! Frage, wem bin ich zum Menschen des Jahres geworden!»